Vladivostok-Korea

Good Morning, „Beherrsche den Osten“!

Ankunft in Vladivostok nach 9.288km Zugfahrt!

Kurz vor 6 Uhr morgens kamen wir im dunklen Vladivostok an. 9.298 (bzw. 9.288km, je nachdem, welche Quelle man liest) Kilometer Bahnstrecke und 7 Zeitzonen seit Moskau lagen hinter uns! Ein Blick auf die Weltkarte im Bahnhof zeigte uns nochmal, was für eine riesige Landmasse wir sehr bequem und sehr gemächlich in insgesamt 6,5 Tagen Zugfahrt durchquert hatten. Jetzt standen wir am Ende von Eurasien, direkt am Pazifik bzw. am Japanischen Meer. Luftlinie bis nach Moskau sind es von hier aus rund 6.430km.

Auf dem kurzen Weg zum unserem fancy Hotel Azimuth Amursky Zaliv kam ein Sturm auf, der uns fast von der Straße wehte. Das Hotel war eine ulkige Konstruktion: Weil es am Hang gebaut ist, kommt man oben auf dem Pakrplatz/Dach an und fährt mit dem Fahrstuhl in die Lobby. Der Bau war noch aus Sowjetzeiten, aber innen ziemlich modern gepimped worden. Wie zu erwarten, war unser Zimmer so früh am Morgen noch nicht fertig bzw. noch belegt. Also deponierten wir unser Gepäck und suchten uns ein kleines Café, um den Sturm auszusitzen, gegen 8.00 Uhr früh legte sich der Wind auch tatsächlich.

Der Hafen von Vladivostok

Also los in die Stadt! Vladivostok (russ.: „Beherrsche den Osten“) wurde, wie viele andere Städte Russland auch, erst relativ spät gegründet, nämlich 1860. Vorher lebten dort Angehörige der Jurchen und Mandschu, asiatischen Völkern. Die Festungsstadt und Handelsposten erlebte mit der Fertigstellung der Transsibirischen Eisenbahn 1903 einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg und wurde schnell zum bedeutendsten Handelszentrum im Fernen Osten. Hier stand auch das Stammhaus von Kunst & Albers, die wir bereits aus Khabarovsk kannten. NAch der Oktoberrevolution 1917 war Vladivostok eine der bedeutendsten Bastionen der Weißen Armee und erst 1922 von den Bolschewiken erobert. Kurz darauf machte der Kreml Vladivostok zum Hauptquartier der Pazifikflotte, was zur Folge hatte, daß die Stadt für Russen nur mit spezieller Genehmigung zu besuchen war, für Ausländer war die Stadt bis 1991 komplett off limits. Heute leben ca. 600.000 Menschen in der Stadt, dank der geographischen Lage im ostasiatischen Raum mit den Nachbarn China, Japan, Nord- und Südkorea floriert die Stadt seit 15 Jahren wieder. 

Der Bahnhof von Vladivostok

Die Stadt liegt, man mag es kaum glauben, auf dem selben Breitengrad wie Florenz, ganz so warm wird es im Sommer aber nicht. Von der Lage her erinnert Vladivostok ein klein wenig an San Francisco, denn sie liegt umgrenzt von Hügeln an einer weiten Bucht, die durch eine Art Bosporus/Golden Gate vom Meer getrennt ist, die Bucht wird passend auch „Goldenes Horn“ genannt. Unser erster Weg führte uns wieder Richtung Bahnhof, weil wir ein Reisebüro suchen mußten, bei dem wir über das Internet und mit Hilfe einer Doktorandin von Juliane die Tickets für die Fährpassage am nächsten Tag nach Südkorea gebucht hatten. Eine gewisse Unsicherheit bleibt bei solchen Buchungen ans andere Ende der Welt ja immer, aber wie meistens klappte auch hier alles reibungslos: An einem alten Haus hing das Schild des Reisebüros, der Eingang auf dem vollkommen zugewucherten Grundstück war dann schon schwerer zu finden. Die freundliche Dame in dem Laden sprach uns sofort mit unseren Namen an, offenbar hatte sie uns erwartet. :-) Ich liebe das Internet! 

Anders als in Khabarovsk gibt es im alten Zentrum von Vladivostok noch ziemlich viel Renovierungsbedarf, aber es wurd schon fleißig gearbeitet, denn im September 2012 sollte die Stadt den asiatisch-pazifischen Wirtschaftgipfel beherbergen, da mußte einiges aufpoliert werden. Auf dem Weg zum Bahnhof fanden wir an einem Haus eine Plakette für den berühmtesten Sohn der Stadt, Yul Brynner, der von wikipedia lustigerweise als „russisch-mongolisch-schweizerisch-US-amerikanischer“ Schauspieler geführt wird, bekannt aus „Anna und der König von Siam“ oder „Die glorreichen Sieben“. Wie dem auch sei, geboren wurde er 1920 in Vladivostok. Den Weg zum Bahnhof nahmen wir deshalb nochmal auf uns, weil er als der schönste Bahnhof der TransSib gilt und tatsächlich machte das Gebäude bei Tageslicht mit seinen frisch restaurierten Deckenmalereien und bunten Fenstern Eindruck. Auf dem Bahnsteig mußten wir natürlich bei Sonnenschein nochmal das Pflichtfoto am Start/Endpunkt der TransSib machen, immerhin hatten wir das Pendant in Moskau auch geknipst.

Er hatte nur Geld für ein halbes japanisches Auto….

Da der Bahnhof fast direkt am „Goldenen Horn“ liegt, ist man schnell am Hafen von Vladivostok. Und der ist wirklich spannend, denn alle möglichen schiffe liegen an den Molen. Große Passagierschiffe, Fischtrawler, Frachter und – nicht zu übersehen – 2 moderne Fregatten der russischen Marine und ein älteres Motor-Segelschiff. Wichtigstes Handelsgut am Hafen scheinen gebrauchte Autos aus Japan (zu erkennen am Rechtslenker) und Korea (Linkslenker) zu sein, denn an der Uferstraße standen Dutzende mit Toyotas, Mazdas o.ä. beladene Autotransporter im Stau. Dazwischen steht allerlei Kriegsgerät in der Gegend rum, so u.a. ein Uboot, das offenbar der wichtigste Ort für lokale Hochzeitspaare für die obligatorischen Fotos und den Umtrunk mit Freunden war. Ich kenne kein anderes Land, in dem im Sommer so viele Hochzeitsgesellschaften an öffentlichen Orten zu sehen sind, egal wo ich war in Russland, an Wochenenden bei schönem Wetter an prominenten Orten trifft man auf Hochzeitspaare, die sich auf dem zentralen Platz, vor dem Uboot, vor Sturmgeschützen oder vor Festungsmauern knipsen lassen und mit ihren Freunden anstoßen. Vor dem Uboot standen vier Hochzeitsgesellschaften gleichzeitig.

Am Ende des Goldenen Horns fuhren wir mit einer Bergbahn (russ.: Funikuler) auf einen prominenten Hügel, auf dem die „Technische Universität des Fernen Ostens“ residiert und von dem aus man den besten Blick über die Stadt und den Hafen hat. Da oben kommt dann wirklich Frisco-Feeling auf. Am Fuße des Hügels stießen wir auf die beeindruckenden Pfeiler Auffahrtrampe zur „Russki-Brücke“, die zum o.g. Wirtschaftgipfel fertig werden sollte. Die Pylon-Brücke sollte Vladivostok mit der wenig einfallsreich getauften Insel „Russki“ , die vor dem Goldenen Horn liegt, verbinden und ist mit einer Stützweite von 1.104m die größte ihrer Art auf der Welt. Im Jahr 2009 war sie aber noch lange nicht fertig, daher blieb uns nur die Fähre. Was aber sowieso viel reizvoller war.

Da steht ein Pferd auf…der Fähre.

Die Fähre war schnell gefunden, also rüber nach Russki Island. Die Tour dauert nicht lange, also hat man auf eine Kabine gleich verzichtet, man sitzt einfach neben den Autos an der Reling, was im Winter sicher recht frisch ist. Die Fähre bietet sozusagen eine kleine Hafenrundfahrt, man passiert die beiden Fregatten, riesige Halden von Kohlen, die auf Frachter verladen werden, dazwischen wuseln Schlepper herum, die auf Russisch lustigerweise „Bugsira“ heißen. Wenn das mal kein Lehnwort aus dem Deutschen ist! Da der kleine Hafen von Russki Island in einer tief eingeschnittenen Bucht liegt, hat man die schmale und flache Landzunge dazwischen einfach durchgefräst, um sich so den Umweg zu sparen. Praktisch gedacht! Da wir mal wieder knapp mit der Zeit waren, blieben wir gleich auf der Fähre sitzen und fuhren sofort wieder zurück. Die Autos waren alle von der Fähre runter, das einzige Transportmittel, das die Rückfahrt antrat, war ein Pferd. Auch irgendwie nett! :-) Soweit ich sehen konnte, gab es auf Russki Island nicht wirklich was zu entdecken, daher frage ich mich, warum für ein Heidengeld eine so riesige Brücke da rübergebaut wird. Prestige, nehme ich an, man will die asiatisch-pazifischen Nachbarn beeindrucken.

Playa de Vladivostok

Nach der Hafenrundfahrt ging´s zurück ins Hotel, wir hatten ja noch nicht eingechecked. Das Amursky Zaliv liegt auf der Rückseite der Halbinsel, die man rechts auf den Hafenbildern sieht, und dementsprechend auf der Seite zum offenen Meer hin. Vor dem Hotel erstreckt sich sowas wie die Croisette von Vladivostok, denn es gibt tatsächlich Beach Clubs, aber deren Saison schien schon abgelaufen, außer ein paar Kite-Surfern war niemand am oder im Wasser zu sehen. Aber die dortige Uferpromenade lud zum Spazierengehen ein. Etwas weiter inland kamen dann ein paar – sehr trist wirkende – Fressbuden, ein kleiner Vergnügungspark und ein Strandbad, in dem tatsächlich ein paar wenige Menschen im Wasser waren. Das ganze wirkte ziemlich surreal auf uns, Strandbad in Vladivostok…. Gleich dahinter liegt das Stadion von Dynamo Vladivostok (na, wer kennt „Dyyyynaamöööö, eieiei!“? Zum Lachen HIER klicken!) Dann kommt der Yachthafen der Stadt und es gibt zahlreiche Restaurants aller Couleur, die wiederum sind gar nicht trist. Wir suchten uns ein italienisches aus, nahmen Platz und sofort kam wieder einer der beiden Hessen aus dem Zug, die wir schon in Khabarovsk zufällig im Restaurant getroffen hatten, vorbei. Offenbar waren unsere Geschmäcker sehr ähnlich, was Restaurants anging. Wir setzten uns zu den beiden an den Tisch und da es für alle der letzte Abend in Russland sein sollte, wurde der Trip standesgemäß mit ein paar „Wässerchen“ gefeiert. Später landeten wir noch in der Keller-Hotelbar des Amurky Zaliv, die zum guten Abschluß nochmal einige russische Klischees bediente…..

Fährpassage nach Sokcho/Südkorea

Rustikales Boarding in Vladivostok

Am nächsten Morgen schulterten wir die Rucksäcke und liefen zum Hafen, um dort auf der koreanischen Dong Chun Ferry einzuchecken. Warum per Fähre nach Südkorea? Von Vladivostok gibt es natürlich Flüge Richtung Moskau. Nur waren die zum einen unverhältnismäßig teuer, zum anderen hatte Vladivostok Airlines überwiegend Tupolew 154 im Einsatz, einen Flugzeugtypen, den ich seit einem haarigen Flug mit Aeroflot im Jahr 1992 nicht mehr betrete und außerdem hatte mein Bruder ursprünglich geplant, Ende September eine Foto-Ausstellung in Seoul auszurichten. Daher dachten wir, wo wir schonmal „in der Gegend“ sein würden, könnten wir auch noch in Korea bei der Ausstellung vorbeischauen und unseren Freund Ohyun besuchen und dann von Korea aus zurückfliegen. Außerdem fanden wir die Idee, die TransSib-Reise mit einer Fährpassage von Russland nach Südkorea abzuschließen und von dort aus zurückzufleigen, auch ganz reizvoll.

Reiseroute Irkutsk-Vladivostok-Seoul

Reiseroute Irkutsk-Vladivostok-Seoul (Klicken zum Vergößern)

Die New Dong Chun ist zwar eine Fähre, aber in der Praxis eigentlich nichts anderes als ein großer Frachter für Autos. Wie oben schon erwähnt, scheinen in Vladivostok viele Leute vom Import gebrauchter Autos aus Korea und Japan zu leben. Daher sind die Fährpassagen auf der New Dong Chun ein wenig „einseitig“. Auf dem Weg von Korea nach Vladivostok sind alle 4 Fahrzeug-Decks mit Gebrauchtwagen vollgestellt und es sind 300 oder 400 Passagiere an Bord, auf dem Rückweg nach Korea werden aber naturgemäß keine Autos zurückgebracht. Also waren die großen Decks in unserer Richtung vollkommen leer und insgesamt waren nur 88 Passagiere an Bord. Wir hatten ein bißchen Muffe vor der Ausreiseprozedur am russischen Zoll, aber die verlief flott und ohne große Kontrolle, die Rucksäcke wurden lieblos durch einen Scanner geschickt, die Pässe abgestempelt und das war´s.

до свидания Россия! Do swidanja Rossija! Schön war´s!!

Wir hatten eine Kabine der 2. Klasse gebucht, also mit 2 Etagenbetten, waren aber allein. Da es eine koreanische Fähre war, gab es auch keine Couch oder Sessel in der Kabine, dafür aber einen Laminat-Boden am Fenster, auf dem man dann liegen oder zum Essen sitzen kann. Ungewöhnlich für uns, aber eigentlich ganz nett. Die anderen Buchungsklassen waren entweder 2er Kabinen oder die einfacheren, bei denen es nur Betten auf dem Mitteldeck, aber keine Kabinen. Die allereinfachste Klasse war „Matraze auf der Laminatfläche“, alles etwas anders als auf Fähren, die man sonst so kennt. Dazu fiel die Sauberkeit des ganzen Schiffs auf. Der Kahn hatte sicher schon ein paar Jahre auf dem Buckel, aber innen war alles wie geleckt. Wir verbrachten ein paar Stunden auf dem Außendeck in der Sonne oder in der Cafeteria, tranken ein Feierabendbier im Raucher-Außenbereich, wo ich mich noch mit einem Russen, der ständig seine leeren Bierdosen über Bord warf, obwohl er einen Meter neben dem Mülleimer stand. Er hat nicht im Ansatz verstanden, was ich ihm klarmachen wollte. Na gut, später am Abend hat er dann von einem anderen Russen ordentlich aufs Maul bekommen, aber das lag sicher nicht an der Müllentsorgung.

Am Hafen von Sokcho/Südkorea

Die Überfahrt nach Sokcho an der Ostküste von Südkorea dauerte ca. 16 Stunden, am nächsten Morgen sahen wir im Dunst die Küste von Nordkorea vorbeiziehen. Auch mal ´ne Reiseoption….Von Südkorea hatten wir jedenfalls keine richtige Vorstellung, bevor wir uns dem Festland näherten. Man sah grüne Berge, davor große Appartmentblocks, bei näherem Hinsehen schien Sokcho eine Art Holiday Resort Town zu sein, jedenfalls gab es überall bunte Hotels und Boote an der Küste. Die Aussteigeprozedur gestaltete sich recht kompliziert, erst durfte man bis zum Festmachen an der Mole nicht aus seinem Kabinengang heraustreten. Dann warteten direkt bei Betreten des Auto-Decks koreanische Mediziner auf uns, um unsere Temperatur wegen der Vorsichtsmaßnahmen gegen die damals grassierende Vogelgrippe mit Thermometern in den Ohren zu messen. Als erste verließen Juliane und ich die New Dong Chun ganz rustikal über eine Gangway auf die Hafenmole. Drinnen wartete der koreanische Zoll auf uns und DIE wollten es ganz genau wissen. Alles, was beim Scannen auffiel, mußte ausgepackt und erklärt werden. Die meisten Sachen wie Ibuprofen waren einfach zu erklären, die mitgebrachten Einwegspritzen, die Juliane und ich immer für Notfälle mitnahmen, waren da schon eine größere Hürde, die Juliane mit ihrem Arztausweis aber letztlich umschiffen konnte. Ein Glück hatten wir die 3 Ampullen mit dem Lokalanästethikum, die mein Zahnarzt wegen der Zahnschmerzen, die ich trotz sofortiger Behandlung direkt vor der Abreise nach Moskau noch hatte, mitsamt einer Anleitung, wo Juliane die Spritze reinsetzen solle, mitgegeben hatte, in Vladivostok entsorgt. So glaubten uns die Beamten schließlich, daß wir keine Junkies waren und ließen uns durch. 

Draußen vor dem Fährterminal erwartete uns geradezu ein Kulturschock, aber der positiven Art. Häfen sind ja normalerweise immer ein bißchen abgerockt, aber hier in Korea? Alles vollkommen sauber, geordnet, bunt und freundlich. Direkt vor dem Terminal stand eine kleine Bude mit der Tourist Information. Wow, das haben wir in Russland nirgends gesehen. Oha, die freundlichen Damen sprechen Englisch? Auch länger nicht mehr erlebt! Ach es gibt eine kleine Stadtkarte von Sokcho, auf der der Busbahnhof eingezeichnet ist? Und Sie möchten uns den Weg dorthin einzeichnen? Das ist ja nett! Ganz geplättet von soviel Service marschierten wir zielsicher durch die Stadt zum Busbahnhof, von wo aus wir einmal quer durch die koreanische Halbinsel nach Seoul fahren wollten. Die ganze Stadt wirkte in ihrer Buntheit und Aufgeräumtheit ein bißchen wie aus einem Comic-Film, aber vielleicht war das nur wegen der 2 vergangenen Wochen in Russland. Auf jeden Fall sah das alles sehr sympathisch und einladend aus, aber doch sehr fremd.

Auf dem Weg durch die koreanische Halbinsel

Die Buchung der Bustickets war ebenso einfach, keine 1,5h nach der Ankunft auf koreanischem Boden saßen wir in einem sehr komfortablen Bus nach Seoul. Von der Strecke gibt´s nix groß zu berichten, es ging eigentlich fast die ganze Zeit zwischen kleinen grünen Bergen hindurch und an Reisfeldern entlang. Hübsch. Nach ca. 5h kamen wir nach Seoul rein, das wirklich, wirklich groß ist. Überall stehen Appartmentblocks mit 20 oder mehr Stockwerken rum, überall gibt´s Autobahnen auf Stelzen und die Stadt wirkt erst einmal recht grau. Am Zentralen Busbahnhof luden wir unser Zeug aus und gingen runter in die Ubahn, um in das Viertel, in dem wir über´s Internet von Vladivostok am Hafen aus noch schnell ein Hotel gebucht hatten, zu fahren. Der Haken war aber, daß wir keinen blassen Schimmer hatten, wo in Seoul wir uns befanden, wir wußten nicht einmal, auf welcher Seite des Flusses wir waren, so daß diese Orientierung auch ausfiel. Einen Reiseführer für Südkorea hatten wir auch nicht besorgt.. Die ersten paar Koreaner, die wir vor dem Ubahn-Plan um Rat fragten, winkten mangels Englischkenntnissen (bzw. unseren Koreanischkenntnissen) sofort ab. Lost in Translation, sag ich nur. Bald fanden wir aber zwei Amerikanerinnen, die schon länger in der Stadt waren und uns erklären konnten, wo wir waren und wo wir hin mußten. Der Kauf der Ubahntickets, dank Deposit und Punktesystem auch eine kleine Wissenschaft, wurde wiederum von einem freundlichen Rentner unterstützt, der ganz offiziell und ehrenamtlich als „Ticketsystemerklärer“ am Ubahnhof arbeitet. Die Ubahn von Seoul ist die sauberste, die ich je gesehen habe. Da hätte man vom Boden essen können. Fast alle jüngeren Passagiere nutzen offenbar ihre Smartphones als Fernseher, um sich irgendwelche Manga-Filme anzusehen und ganz allein in sich hinein zu kichern.

Bedienpanel eines koreanischen WC. Da ist wohl mindestens ein Dipl.-Ing. erforderlich?

Das gebuchte Hotel fanden wir zwar schnell, aber an der Rezeption zeigte man uns das Fax mit „sorry, we are full“, das man an hrs.com geschickt hatte. Das Hightech-Buchungsportal hat es in 24h nicht geschafft, uns per Email zu informieren, daß die Buchung nicht geklappt hat. Klasse. Zum Glück konnte uns der Herr an der Rezeption aber ein anderes Hotel empfehlen. Bei dem war aber der Haken, daß es zwar eine Hausnummer an einer großen Straße hatte, tatsächlich aber bestimmt 100m in einer der zahllosen kleinen Seitenstraßen, die die Blocks an den Hauptstraßen durchschlängeln, lag. Das scheint auch für die Seouler Taxifahrer ein steter Quell der Freude und Verwirrung zu sein, aber mit hartnäckigem Herumfragen fand unser Fahrer das (ziemlich große) Hotel. Hotels scheinen in Seoul ein sehr gutes Preis/Leistungsverhältnis zu bieten, was ja in Metropolen sonst eher selten der Fall ist. Unser Hotelzimmer kostete (afair) ca. 55 EUR, war großzügig bemessen, recht neu eingerichtet (wenn auch kein Designhotel, eher so Richtung plüschig), sauber und von der Ausstattung das beste auf dieser Reise. Am Fußende des Betts stand ein großer Flat-Screen TV, den man auf einem Pult drehen konnte. So wirkte er fast wie ein Raumteiler. Der größte Gag war aber die Hightech-Toilette, für deren korrekte Bedienung man vermutlich ein Ingenieursstudium braucht. Das Display für die Bedienung hatte nicht weniger als ACHTZEHN Knöpfe, alle auf koreanisch beschriftet. Immerhin waren die wichtigsten Funktionen mit „Urine a button“ und „Feces a button“ beschriftet.

Koreanischer Barbecue: Weltklasse!

Nach dem Einchecken im Hotel suchten wir uns in der Nähe ein Restaurant zum Abendessen. Es gab alle möglichen zur Auswahl, am vollsten waren aber die koreanischen Barbecues, die man schon von außen an den merkwürdigen Schnorcheln über den Tischen erkennt. Hier hatten wir ein kulinarisches Erlebnis der ganz besonderen Art. Man sitzt an einem kleinen runden Tisch, in dessen Mitte ein Vertiefung mit einem gewölbten Rost eingelassen ist. In die Vertiefung legt ein Kellner vorgeglühte Kohlen, dann wird der Schnorchel von oben heruntergezogen, durch den Sog glühen die Kohlen dann blitzschnell durch. Auf das Rost legt man dann das georderte Fleisch, Zwiebeln, Knoblauch und was sonst noch so in den zahlreichen kleinen Schälchen angekarrt wird. Das Fleisch mußten wir – mangels Karte auf Englisch – aus einer Karte mit Fotos aussuchen (sonst ein No Go!). Wenn man sich die Fleischstücke dann fertig gebraten hat, stellt man sich die Frage, wie man das mit Stäbchen essen soll, denn Messer gibt es keine. Die Kellnerin sah unsere hilflosen Blicke und wies uns auf die haushaltsübliche Küchenschere hin, die irgendwo zwischen den ganzen Schälchen lag. Mit hält also das Fleisch mit der Zange und schnippelt es mit der Küchenschere klein. Großartig. Alles Fleisch ist kräftig mariniert und unglaublich köstlich, sogar eine dünne Speckschwarte, die in rohem Zustand wirklich nicht schön anzusehen war, war nach dem Grillen ein Gedicht. Nach dem Grill-Flash am Baikalsee hier also ein weiteres denkwürdiges Ess-Erlebnis.

Downtown Seoul

Leider hatten wir nur einen kompletten Tag für Seoul. Da es schon morgens regnete, entschieden wir uns gegen die Tour an die DMZ, also zu den Grenzanlagen und  UNO-Baracken an der Grenze zu Nordkorea, was so ziemlich die Hauptattraktion zu sein scheint. Auch die diversen Tempel und Paläste reizten und bei Regenwetter nicht so sehr, also fuhren wir einfach in eins der vielen Subzentren, um dort die „Athmo“ aufzusaugen und am frühen Abend unseren Freund Ohyun in seiner Grafikdesign/Werbeagentur (Platoon) zu treffen.

Seitenstraße in Seoul

Seoul ist – auch ohne Besuch der eigentlichen Sehenswürdigkeiten – eine sehr beeindruckende Stadt. Alles wirkt sehr hightechmäßig und futuristisch, überall ragen riesige Glaspaläste an den Straßen empor, dazwischen verlaufen aber immer kleine, verwinkelte Sträßchen mit alten, oft in traditioneller Bauweise erbauten Häusern und kleinen Geschäften, so dass das ganze eine sehr sympathische Mischung ergibt. Man kann sich stundenlang im Gewirr treiben lassen. Allgegenwärtig sind auf jeden Fall bunte Neonreklamen und Schilder, die wir natürlich alle nicht lesen konnten. Wenn einmal ein Schild auf Englisch zu sehen war, z.B. in einem noblen Kaufhaus, dann war die Übersetzung meistens so von kuriosen Fehlern gespickt, als hätte man Google Translator benutzt.

Wer asiatische Städte mag, aber von Molochs wie Bangkok, Bombay oder Jakarta erstmal genug hat, wird sich in Seoul sehr wohlfühlen. Nicht umsonst gelten die Koreaner als die „Deutschen Asiens“, die Mischung aus Exotik und fast schon beängstigender Ordnung hat uns gefallen. Anders als das ebenfalls für seine Ordnung bekannte Singapur ist Seoul nämlich überhaupt nicht langweilig oder „steril“, es gibt überall etwas ungewöhnliches zu entdeckenda muß ich auf jeden Fall nochmal länger hin bei nächster Gelegenheit.

Am frühen Abend besuchten wir Ohyun in der Platoon Kunsthalle, wo auf der Karte der zentralen Cafeteria bizarrerweise (wegen der deutschen Gründer) Maultaschen und Käsespätzle ausgeschrieben waren. Wir zogen es aber vor, nochmal in exakt dasselbe Restaurant wie am Abend davor zu gehen, weil wir unbedingt nochmal Barbecue genießen wollten. Ein würdiger Abschluß für diesen großartigen Trip

Über Helsinki zurück nach Berlin

Am nächsten Morgen flogen wir mit Finnair von Seoul nach Helsinki und dann weiter nach Berlin. Netterweise folgt die Flugroute von Seoul über China nach dem Erreichen des russischen Luftraums ziemlich genau der Strecke der TransSib, so daß wir viele alte Bekannte wie z.B. den Baikalsee nochmal aus der Luft bewundern konnten. Aber der Hinweg hat definitiv mehr Spaß gemacht als der schnelle Rückweg! 

Résumé: 

Die Tour mit der TransSib war definitiv eine der besten Reisen, die ich je gemacht habe. Es lag gar nicht mal so sehr an einzelnen spektakulären Highlights kultureller oder landschaftlicher Art, sondern hier stimmte einfach das „Gesamtpaket“. Das entspannte Reisen im Zug, die vielen netten und geselligen Mitreisenden, die teilweise sehr bizarren Eigenheiten sibirischer Lebensart, der Eindruck des Provisorischen, den man überall erlebt, die „Untouristikkeit“ von Sibirien, die zahlreichen positiven Überraschungen, die wir mangels Vorab-Informationen hatten (z.B. die Einsamkeit des Baikalsees, die Schönheit von Khabarovsk, die Fähre nach Korea, die Metropole Seoul) und letztlich diese schwer zu definierende Gefühl, das man beim Blick auf eine Weltkarte bekommt und die Strecke mit den Augen verfolgt. Wer auch nur entfernt ein Faible für raue und untouristische Gegenden der Welt hat, sich für „schräge“ Sachen begeistern kann und sich weniger für „All Inclusive Hotelurlaube“ interessiert, sollte ernsthaft die TransSib in Erwägung ziehen. Organisiert ist ein solcher Trip dank des Internets heutzutage schnell.

Ich habe es am Anfang erwähnt und möchte es nochmal bekräftigen: Die 6,5 Tage im Zug waren zu keinem Zeitpunkt langweilig, es gibt immer was zu sehen oder man hat nette Gesellschaft. Ich würde sofort nochmal mit der TransSib fahren und werde sicher in den nächsten Jahren nochmal die andere Route durch die Mongolei nach Peking fahren.   

So, das war´s von meiner Seite. Reicht ja auch :-)

Falls Euch der Bericht gut unterhalten oder geholfen hat oder Ihr Kritik loswerden wollt, freue ich mich über Feedback im GÄSTEBUCH oder einen Bewertungsklick hier unten!

Reisen, Urlaub, Ferien Bewertung wird geladen…


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich bin mit den Datenschutzbedingungen dieser Seite einverstanden.